Situative Führung: Königsdisziplin oder Irrtum ?

Den idealen Führungsstil gibt es nicht. Sagt man. Und empfiehlt allenthalben eine flexible Anpassung an den Betriebsalltag und das individuelle Leistungsvermögen der Mitarbeiter. Die Führungskraft soll auf Sicht durch die Steigerung des Selbständigkeitsgrades (Performance Readiness) der Mitarbeiter entlastet werden. Der Führungserfolg ergibt sich dann aus dem freien Zusammenspiel von Führungsstil und Führungssituation.

 

Im frühen Denkmodell der Kontingenztheorie wird Führung von den persönlichen Eigenschaften des Führenden und von der Beziehung zu den Geführten geprägt. Die Persönlichkeit kann man als schwer variabel sehen. Die Theorie sieht eine größere Variabilität in den Rahmenbedingungen, die so lange verändert werden sollen, bis sie zur Führungskraft und deren Eigenschaften passt. Man nennt das engineer the job.

 

Die Vorteilhaftigkeit der Rahmenbedingungen soll von drei Variablen abhängen:

  • der Beziehung zwischen Leader und Mitarbeiter
  • der Aufgabenstruktur und
  • der Positionsmacht des Leaders.

Auf der Grundlage empirischer Untersuchungen kam bereits F.E. Fiedler zu dem Ergebnis, dass in besonders ungüngstigen Führungssituationen ein aufgabenorientierter Führungsstil zu besseren Erfolgen führt, während sich in Situationen minderer Günstigkeit der personenorientierte Führungsstil besser eignet. Klar. Die Stakeholder, als Faust im Nacken des Leaders, lassen oft keine langwierigen Entwicklungsmaßnahmen zu.

 

Situatives Führen bezeichnet eine Gruppe von Kontingenztheorien, die besagen, dass der Leader je nach Situation unterschiedliche Führungsstile wählen soll, um seinen Erfolg zu sichern.

 

In der Weiterentwicklung dieses Ansatzes durch Hersey und Blanchard soll das Vorgesetztenverhalten in Abhängigkeit vom Reifegrad der geführten Mitarbeiter variieren.

 

Reife Mitarbeiter erstreben Verantwortung, entwickeln selbständig ihre Fähigkeiten und ihr Fachwissen (tunlichst auf eigene Kosten), sind motiviert und engagiert. Unreife Mitarbeiter sind zunächst und zutiefst dankbar für ihre Beschäftigung.

 

Der gewählte Führungsstil ist dann erfolgreich, wenn er zum Reifegrad des Mitarbeiters passt. Die daraus resultierenden Führungsstile sind

  • Telling (Unterweisung bei niedrigem Reifegrad, hoher Aufgabenorientierung und niedriger Beziehungsorientierung)
  • Selling (Überzeugung bei geringer bis niedriger Reife, Aufgabenorientierung und Beziehungsorientierung sind gleich stark ausgeprägt)
  • Participating (Beteiligung an Zielsetzung und Entscheidungsfindung bei mäßiger bis hoher Reife, geringer Aufgabenorientierung und hoher Beziehungsorientierung)
  • Delegating (Delegierung von Aufgaben bei hoher Reife, besondere Zuwendung und detaillierte Vorgaben werden nicht mehr benötigt).

Der entscheidende Mangel dieses Ansatzes besteht in der nicht vorhandenen Validierung, die auch in neueren Untersuchungen nicht behoben werden konnte. Reifegrad der Mitarbeiter, Führungserfolg, Aufgaben- und Beziehungsorientierung sind keine messbaren Größen und daher empirisch nicht nachprüfbar.

 

Das Beurteilungsgespräch fällt dann relativ kurz aus: Pfeiffer, Ihnen fehlt die sittliche Reife ! (Heinrich Spoerl, Die Feuerzangenbowle).

Kommentar schreiben

Kommentare: 0